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VITALBIENE: Neue Erkenntnisse zu Varroa-Management und Bienenresilienz

Das Verbundprojekt VITALBIENE, durchgeführt von der Universität Würzburg und dem Bieneninstitut in Kirchhain, liefert wegweisende Ergebnisse für eine zukunftsfähige Bienenhaltung. Die nun veröffentlichten Studienergebnisse zeigen: Weniger, dafür gezielte Varroa-Behandlungen sowie zeitweise höhere Milbenbelastungen können die Vitalität und Leistungsfähigkeit von Honigbienenvölkern erhalten – ohne ihre Produktivität zu beeinträchtigen. Gleichzeitig eröffnen sie neue Ansatzpunkte für die Förderung natürlicher Resistenzmechanismen.


Warum ein neues Varroa-Management nötig ist!

Die Varroamilbe gilt als einer der zentralen Stressfaktoren für Honigbienenvölker. Konventionelle Behandlungsstrategien zielen darauf ab, den Milbendruck permanent auf sehr niedrigen Werten zu halten. Dies schützt kurzfristig vor hohen Verlusten, verhindert aber gleichzeitig natürliche Anpassungsprozesse. Das Projekt VITALBIENE untersuchte daher eine innovative Betriebsweise, die folgende Elemente kombiniert:

  • keine Drohnenbrutentnahme

  • sommerliche Brutpause durch Käfigen der Königin, gefolgt von einer einmaligen Oxalsäurebehandlung im brutfreien Volk

  • Winterbehandlung nur bei Bedarf (Schadschwellenprinzip)


Zum Vergleich diente ein klassisches Management mit Drohnenbrutentnahme, Ameisensäure im Sommer und Oxalsäure im Winter.


Kernergebnisse des Projekts

1. Temporär höhere Varroabelastung – dennoch stabile Völker

Die innovativ geführten Völker zeigten im Frühjahr und Sommer erwartungsgemäß eine höhere Milbenbelastung. Dennoch blieben die Völker stabil und auch die Honigerträge unterschieden sich nicht signifikant von konventionell geführten Völkern. Dies zeigt, dass Bienen zeitweise höhere Belastungen kompensieren können, wenn die Belastung kontrolliert bleibt und gezielt reduziert wird.


2. Früherer Start ins Sammelleben

Bienen aus innovativ geführten Völkern begannen im Frühjahr im Schnitt zwei Tage früher mit dem Sammeln von Nahrung. Dies ist ein Hinweis auf eine beschleunigte Volksentwicklung unter Varroa-Stress. Gleichzeitig beendeten sie die Sammelphase etwas früher, was ein Indiz für eine verkürzte Lebensdauer sein könnte. Dies ist jedoch typisch für parasitierte Bienen. Trotzdem blieb der Gesamtzeitraum, in dem Nahrung gesammelt wurde, gleich lang.


3. Deutlich längere Sammelflüge und hohe Orientierungssicherheit

Die Sammlerinnen der innovativ geführten Völker zeigten längere Flugzeiten und kehrten zuverlässig zu ihren Bienenstöcken zurück. Die längeren Flugzeiten lagen daher nicht an einem gestörten Orientierungssinn, sondern waren eine gezielte Anpassungsreaktion: denn die innovativ gehaltenen Völker sammelten signifikant mehr proteinreicheren Pollen. Dies deutet auf eine kompensatorische Nahrungssuche hin. Unter Varroastress investieren Bienen offenbar mehr Zeit, um qualitativ hochwertigere Ressourcen aufzuspüren. Durch diesen Mechanismus kann die Volksentwicklung trotz hoher Varroabelastung stabilisiert werden.


4. Hormonanalyse zeigt: Beschleunigte Reifung der Bienen

Junge Arbeiterinnen aus innovativ geführten Völkern wiesen einen erhöhten Spiegel an Juvenilhormon III auf. Dieses Hormon steuert den Übergang von der Brutpflege zur Sammelarbeit. Die Varroabelastung beschleunigt somit die physiologische Entwicklung der Bienen, als Anpassung an den Varroadruck. Ein Befund, der zu den beobachteten Verhaltensänderungen passt.


Was bedeuten diese Ergebnisse für die Praxis?

Weniger Behandlungen bedeuten nicht automatisch eine schlechtere Volksgesundheit. Das gezielte Zulassen temporär höherer Milbenbelastung beeinträchtigte weder das Überleben noch den Honigertrag der Völker. Drüber hinaus besitzen Bienen erstaunliche Kompensationsmechanismen und reagieren auf die Varroabelastung durch längere Sammelflüge zu Blütenpflanzen mit hochwertigen Proteinquellen. Jedoch kann sich die Lebensspanne der Bienen verkürzen, da die Entwicklungsphase beschleunigt ist.

Mittelfristig könnte die innovative Bienenhaltung die Resistenzmechanismen gegen die Varroamilbe fördern. Durch kontrollierte Exposition mit dem Parasiten könnten wichtige Merkmale wie Varroa-sensitive Hygiene oder das Recapping-Verhalten gestärkt werden. Langfristig könnte so ein stabiles Wirt-Parasit-Verhältnis mit einer reduzierten Varroabehandlung erreicht werden.

Entscheidend für die Praxis bleiben jedoch klare Schwellenwerte, ab denen im Sommer oder Winter dennoch behandelt werden muss. Die Völkerführung muss die Belastung kontrollieren, Stress nur gezielt zulassen, aber einen unkontrollierten Milbenanstieg vermeiden.


Die Ergebnisse wurden im International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife veröffentlicht:


Weitere Informationen zum Projekt mit einem Praxismerkblatt und dem Abschlussbericht finden Sie unter: https://www.oekolandbau.de/forschung/oeko-forschungsergebnisse/boel-forschungsergebnisse/forschungsbereich-tierhaltung/projekt-vitalbiene/

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