Aktuelle Herausforderungen im Agrarumwelt- und Naturschutz, 24. bis 25. April 2024
Die Tagung „GAP, ELER und Umwelt“ beleuchtet jedes Jahr ausgewählte Umwelt-, Naturschutz- und Biodiversitätsaspekte der Umsetzung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik in Deutschland. Ein Fokusthema dieses Jahr: „Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften mit regionalen Wildpflanzen“.
Hierzu berichtete Frau Sandra Mann von der Hochschule Anhalt über Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt zur Entwicklung und erfolgreichen Umsetzung ökologisch hochwertiger Strukturen (Fokus: GLÖZ 8, ÖR 1, AUKM) zur Biodiversitätsförderung in Agrarlandschaften mittels ein- und mehrjähriger Blühstreifen:
Wahl des optimalen Aussaatzeitpunktes: die sicherste Variante ist die Aussaat im Herbst, um ausreichende Niederschläge zu gewährleisten. Insbesondere in trockenen Frühjahren könnte eine spätere Aussaat zu unzureichendem Niederschlag führen (hierzu ist die Beantragung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns im Oktober möglich)
Vermeidung von Blühstreifen an Waldrändern
Verteilung des Saatgutes durch Aufrieseln mit anschließendem Anwalzen, wobei darauf zu achten ist, dass das Saatgut nicht zu tief abgelegt wird.
Festlegung des optimalen Zeitpunkts für einen Schröpfschnitt im ersten Jahr, idealerweise im Zeitraum von Juni bis Juli
Frau Mann betonte im Hinblick auf die politische Gestaltung der Maßnahmenförderung die Wichtigkeit umfassender Schulungen der kontrollierenden Behörden sowie die fachliche Beratung und kontinuierliche Begleitung der Landwirt:innen um insbesondere Fehlbeurteilungen der Blühstreifen vor Ort und Missmanagement zu vermeiden. Darüber hinaus ist die Bereitstellung geeigneter und qualitativ hochwertiger regionaler Saatgutmischungen von wesentlicher Bedeutung. Mindestens 30 unterschiedliche Pflanzenarten in einer Blühmischung bieten bestäubenden Insekten ein umfassendes Pollenspektrum bei langanhaltender Trachtdauer. Kritische Pflanzenarten (z.B. Diestel, Kade, Jakobskreuzkraut), die potenziell Komplikationen im agrarischen Ökosystem verursachen könnten, sollten hierbei vermieden werden. Es wird daher empfohlen, auf Wiesen- und Saumarten zurückzugreifen, welche durch einen einmaligen Umbruch entfernt werden können.
Die gezielte Aussaat von Wildpflanzen mittels regionalen Saatgutes bildet die Basis für einen koevolutionär erfolgreichen Wildbienen- und Insektenschutz.
Eine zentrale Fragestellung, die im Auditorium ausführlich erörtert wurde, betraf die strategische Verteilung des Förderbudgets zwischen weniger effizienten Maßnahmen, die auf größeren Flächen implementiert werden können, und hochwirksamen teuren Maßnahmen, die auf weniger Flächen umgesetzt würden.
Trotz der bestehenden Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen, die tendenziell für die Umsetzung hochwirksamer Maßnahmen auf wenig Flächen spricht, sind auch weniger wirksame, jedoch leicht umzusetzende Maßnahmen mit einem kurzen Verpflichtungszeitraum, wie einjährige Blühstreifen, von entscheidender Bedeutung, um Landwirt:innen mit dem Konzept der biodiversitätsfördernden Maßnahmen vertraut zu machen. Oftmals war eine bewusste Entscheidung der Landwirt:innen für mehrjährige Blühstreifen zu beobachten, nachdem erste Erfolge und Erfahrungen bei einjährigen Maßnahmen gesammelt wurden. Diese Entwicklung trägt zur Bewusstseinsbildung in der Landwirtschaft bei und fördert die Akzeptanz sowie die Bereitschaft zur langfristigen Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen.
Ein ausgewogener Instrumentenmix, der sowohl hocheffiziente als auch weniger wirksame biodiversitätsfördernde Maßnahmen kombiniert, sollte beibehalten werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt:innen, Behörden und wissenschaftlichen Institutionen sowie eine kontinuierliche Überwachung und Evaluation der durchgeführten Maßnahmen.
Ein weiterer Diskussionspunkt zielte auf die Regelung des Boden- und Erosionsschutzes in Deutschland ab, welcher derzeit noch wenig Beachtung erfährt und im Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) nicht ausreichend behandelt wird. Neben den aktuellen Bemühungen zur Förderung der Biodiversität sollte auch hier politische Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es ist wichtig, dass Öko-Regelungen sowie Agrar- und Klimamaßnahmen (AUKM) nicht nur dem Umwelt-, Biodiversitäts- und Klimaschutz dienen, sondern auch dazu beitragen, Erosion und Biodiversitätsverlust im Boden zu verhindern. Ähnlich wie bei der Wasserrahmenrichtlinie (EU Water Framework Directive) ist eine einheitliche "Soil Directive" auf europäischer Ebene erforderlich.
Agroforst-Förderung durch Schutzgebiete
Vor dem Hintergrund der nur gering nachgefragten Öko-Regelung 3 „Beibehaltung einer agroforstlichen Bewirtschaftung auf Acker- und Dauergrünland“ wurden in einem weiteren Workshop Gründe für die geringe Inanspruchnahme aufgezeigt und potenzielle Lösungswege erarbeitet. Obgleich bei Landwirt:innen die Motivation zur Anlage von Agroforstsystemen vorhanden sei und von häufigen Nachfragen bei landwirtschaftlichen Beratungsstellen berichtet wurde, wurden vom neuen Prämienangebot nur insgesamt 51 ha in 2023 nachgefragt (agrarheute 23.06.2023). Leon Bessert vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft e.V. führte unter anderem folgende Gründe hierfür auf:
Diskrepanz zwischen dem Wissen um die zahlreichen Vorteilswirkungen von Agroforstsystemen einerseits und der unzureichenden Umsetzungsunterstützung andererseits
Hoher bürokratischer Aufwand und rechtliche Hemmnisse bei der Einrichtung und Bewirtschaftung von Agroforstflächen (z.B. Genehmigungspflichten bzw. Nutzungskonzept)
Geringe Förderung und Anreize für Agroforstsysteme
Eingeschränkter Gestaltungsspielraum bei der Anlage von Agroforstsystemen in der Praxis durch ÖR3
Keine sinnvollen Abstandsregelungen
Mangelnde Kenntnisse vieler Naturschutzbehörden über Agroforstsysteme und deren Nutzen bzw. bei der Prüfung und Bewilligung von Anträgen, wodurch es häufig zu Antragsablehnungen kommt
Umfassende Lösungsansätze werden im offenen Brief der Berufsstandvertretungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) sowie dem Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft e.V. an die Ministerinnen und Minister sowie die Senatorinnen und Senatoren für Landwirtschaft und Umwelt des Bundes und der Länder geschildert.
Zukunftsweisende Erkenntnisse zur praxisnahen Implementierung von Agroforstsystemen werden im SEBAS-Projekt vorgestellt. Da ein Drittel aller Insektenarten hierzulande Gehölze nutzt, stellen Agroforstsysteme insbesondere für den Bestäuberschutz eine wichtige Lebensgrundlage dar. Es wurde auch auf das Hintergrundpapier des NABU „Agroforstsysteme und Naturschutz – Impulse zur Förderung der biologischen Vielfalt durch Gehölze auf Äckern, Wiesen und Weiden“ (2024) verwiesen, welches Perspektiven der Landwirtschaft und des Naturschutzes im Hinblick auf Agroforst aufzeigt.
Fazit: Die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft sind äußerst vielversprechend. Nun liegt der Fokus auf der Umsetzung. Verbände sollten unbedingt Umsetzungsempfehlungen zu Maßnahmen an die Politik kommunizieren und Best-Practice Erfahrungen aus Projekten als Orientierung für die Maßnahmenkonzipierung der zukünftigen Förderperiode nutzen. Angesichts dessen ist eine flächendeckende Biodiversitätsberatung dringend geboten, und die bestehenden Strukturen müssen daher beibehalten werden.
Bildquelle: Pixabay
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